Geschichte

Zwei Jungen und ein Buch (1946)

1936 kam Martin Geffert in das Friseurgeschäft Sturm in die Lehre. Zwei Jahre später wurde der Sohn des Inhabers, Alfred, ebenfalls als Lehrling eingestellt. Die beiden Jungen, die sich anfreundeten, hatten bald ein gemeinsames Steckenpferd: Die Sterne und das All. Das ist so seltsam nicht. Gerade in jener Zeit waren populär-astronomische Bücher und auch die ersten Raumfahrterzählungen, etwa von Hans Dominik und Bruno Bürgel unter Jungens sehr gefragt. Aber bei den beiden kleinen Figaros ging das Interesse tiefer als bei den meisten. Bruno Bürgels „Die Himmel rühmen“ wurde geradezu ihr Kultbuch, und sie versuchten sich sogar mit einem aus dem Linsensatz von „Kosmos“ selbstgebauten Teleskop in ersten Beobachtungen.

Und schon damals entstand ein Traum: „Wir wollen eine richtige Sternwarte haben.“ Obwohl noch viele Jahre vergehen sollten, ehe dieser Traum Realität werden konnte, der Grundstein war in diesen Jahren gelegt.

Ein neuer Beginn nach dem Krieg (1946 – 1957)

Der 2. Weltkrieg war die große Zäsur. Aber die beiden jungen Männer kamen heil nach Hause, und als sie sich wieder trafen, war natürlich das gemeinsame Interesse an der Astronomie und der Traum von der „richtigen Sternwarte“ wieder akut. In ihrer Begeisterung steckten sie Freunde und Bekannte an. Franz Meissner stieß dazu und auch andere.

Als in den Apriltagen 1957 der Komet Arend-Roland am Himmel sichtbar wurde, entsannen sie sich des kleinen, selbst zusammen gebauten Teleskops, das in einer Dachkammer die Kriegsjahre überdauert hatte. Die Keimzelle zum „Astronomischen Arbeitskreis Heppenheim“ entstand.

Es wird wirklich ernst! (1957 – 1968)

Jeden Dienstag Abend kamen nun etwa 15 Sternfreunde zu Beobachtungen und Aussprachen im Sturmschen Laden zusammen. Die Freunde bauten sich ein brauchbares Teleskop nach der Anleitung von Dr. Hans Rohr „Das Fernrohr für Jedermann“. Es hatte 150 mm Durchmesser und eine Länge von 1300 mm und wurde durch eine eigens geschaffene Öffnung im Dach des Fachwerkhauses in der Kleinen Bach 3 geschoben.

Die beiden Freunde, Alfred Sturm und Martin Geffert, bildeten Führung und Kern des Arbeitskreises, Franz Meissner, der neben einem eigenen Teleskop auch mathematisches und astronomisches Fachwissen mitbrachte, war sozusagen das dritte Bein, welches dem Heppenheimer Kreis die solide Statik vermittelte.

Aber die Freunde wollten nun doch eine eigene Sternwarte haben. Sie horchten sich um. Das Provisorium, so gut es auch funktionierte, hatten sie endgültig satt. Martin Geffert war im Besitz eines Mopeds und daher der mobilste. Er fuhr unermüdlich an alle Standorte, die in Frage kamen, z.B. ein Gelände auf der Juhöhe oder eine alte Flakstellung in der Nähe der Helenenruhe. Dann ergab ein Kontakt mit Bürgermeister Spiegel (Hambach) einen brandheißen Tipp: Ein Grundstück auf dem hinteren Schloßberg am Fuße der Starkenburg.

Es war wirklich geeignet, sogar ideal: solider, erschütterungsfreier Fels, Abschirmung des städtischen Lichtes durch die Kuppe der Starkenburg und vor allem gut zu erreichen, selbst zu Fuß vom Stadtkern Heppenheims aus. Die Verhandlungen zogen sich allerdings noch hin. Das Grundstück konnte der junge „Astronomische Arbeitskreis“ in Erbpacht haben, aber die Stadtväter betrachteten es als ein Risiko, an dieser hervorragenden Stelle den Bau einer Sternwarte zuzulassen. Bürgermeister Metzendorf hatte jedoch Vertrauen in das Projekt und setzte sich dafür ein.

1968, nach dreijährigem Hin und Her, zähem und unermüdlichem Ringen mit dem Magistrat, begannen die Planierungsarbeiten auf dem Gelände. Eine visionäre Zeichnung, die Alfred Sturm damals anfertigte, zeigt die Sternwarte in verblüffender Weise genau so, wie sie nach dem ersten Bauabschnitt dann aussah.

Aufbaujahre (1969 – 1976)

Nach und nach wächst die Sternwarte in diesen „Gründerjahren“. Vieles, sehr vieles wird in Eigenarbeit geleistet. Aber der äußere Aufbau, das feste Haus, ist nicht das allein Wichtige. Genau so wesentlich ist der „innere Aufbau“: Da ist erst einmal das Instrumentarium. Von Alfred Sturm wird ein zweiter 15 cm Spiegel geschliffen. Und zweitens wird natürlich so viel wie möglich beobachtet und die Beobachtungsergebnisse ausgewertet, es werden Kolloquien und Seminare gehalten, 1971 erscheint der erste „SIRIUS“.

Am 11. März 1973 wird die Sternwarte eingeweiht. Im historischen Festsaal von Heppenheim, dem Kurfürstensaal, findet die Feier statt. Professor Labs von der Landessternwarte Heidelberg hält den Festvortrag „Amateurastronomie und Fachastronomie“. Zum ersten Mal werden die „Tage der offenen Tür“ veranstaltet, inzwischen auch eine feste Einrichtung.

1974 werden die Gründer der Starkenburg-Sternwarte für ihr außergewöhnliches Engagement belohnt. Dr.Dr. Fritz Mühleis aus Mannheim möchte den kostbaren Fundus seiner Privatsternwarte in guten Händen wissen. Er nimmt Verbindung mit Alfred Sturm auf, und im September kann der Astronomische Arbeitskreis einen Vertrag abschließen, in dem ihm die wertvollen Instrumente übergeben werden: Das 450 mm Newton-Spiegelteleskop, das 300 mm Maksutov-Spiegelteleskop und der 200 mm Alt-Reflektor.

Nun musste eine Kuppel gebaut werden, und ein größerer Vortragsraum sollte auch entstehen. Diesmal gehen die Arbeiten dieses zweiten Bauabschnittes zügig voran. 1976 ist auch dieser Schritt erfolgreich beendet.

Sturm, Geffert und ihr Lebenswerk

Der „Astronomische Arbeitskreis“, wie er immer noch hieß, war ein stabiler Verein, der längst die Anerkennung in Stadt und Land bekam, die ihm gebührte. Ungleich anderen Vereinen, die unentwegt Geld kosten und verbrauchen, stand er, dank des Fleißes und der Redlichkeit seiner Vorsitzenden, gut da. Durch Spenden, Führungen, Kurse und Vorträge wurde das Fundament für eine solide Basis auch in finanzieller Hinsicht gelegt.

Gebäude und Instrumentarium stellen zusammen einen respektablen Wert dar, der von Martin Geffert korrekt verwaltet wird. Alfred Sturm „verdient“ durch unermüdliche Vortragsarbeit das meiste Geld. Ein bescheidener Zuschuss der Stadt drückt die Anerkennung des Magistrats aus. So kann der Vorstand von Jahr zu Jahr feststellen, dass die Haushaltslage gut ist. Die Mitgliedsbeiträge sind moderat, für Jugendliche die Hälfte. So stoßen immer mehr junge Menschen dazu. Die „Tage der offenen Tür“ bringen jetzt Rekorde von fast 4000 Besuchern.

1977 kommt die Radio-Astronomie unter Peter Riese hinzu. Alfred Sturm ist ein leidenschaftlicher Wanderer, und so werden auch jährlich große Fahrten und Wanderungen gemacht. Dabei werden andere Sternwarten und Planetarien besucht. Astro-Freizeiten für die Jugendlichen sind sehr beliebt. Die wöchentlichen Kolloquien haben häufig anspruchsvolle astronomische Themen. Sie werden durch historische, technische, philosophische und archäologische Vorträge erweitert.

Bilanz (Die Jahre von 1983 bis heute)

Nachdem in einem „dritten Bauabschnitt“ die Sternwarte nochmals durch mehrere Räume erweitert wird – wieder fast alles in Eigenarbeit – ist die jetzige Größe erreicht. Ob das die endgültige ist, wird eine weitere Entwicklung zeigen. Die moderne Technik der Astronomie, CCD-Kameras, Computer und anderes hält Einzug auf der Sternwarte, der Nachwuchs zeigt, dass er mit den komplizierten Geräten umgehen kann.

Am Anfang stand ein Traum und ein Bausatz-Fernrohr, am Ende eine der größten und erfolgreichsten Amateur-Sternwarten Europas.

Ethy Schäfer-Syben

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